Sebastian Scheel - Günstige Energie heißt, über die Preisbildung am Strommarkt zu sprechen

Günstige Energie heißt, über die Preisbildung am Strommarkt zu sprechen

Sebastian Scheel (LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Zu dem Antrag an sich ist schon etwas gesagt worden. Ich habe ein bisschen das Gefühl, die AfD springt hinter den fahrenden Zug ihrer eigenen Partei. Am 11. November 2021 haben Sie im Bundestag eine Debatte dazu angezettelt. Die ist genauso ausgegangen, wie sie wahrscheinlich heute hier ausgehen wird. Ich verstehe also nicht, warum Sie die Zeit so verschlafen haben und jetzt erst in die Puschen kommen, meine verehrten Kollegen von der AfD.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Lars Düsterhöft (SPD)]

Sie schreiben in Ihrem Antrag, Sie wollen sichere, günstige Energie. Wer über günstige Energie spricht, der muss über die Preisbildung am Strommarkt sprechen – darüber sprechen Sie aber in keiner Weise –, der muss über das Merit-Order-Prinzip sprechen, darüber, wie sich Stromangebot und Strombedarf zusammenfinden, und dass es eben nicht so ist, dass sich ein Gleichgewichtspreis findet, in dem das Angebot sich in Überschneidung bringt, sondern dass der letzte Stromproduzent, der für das Angebot gebraucht wird, den Preis macht. Und da ist es doch ganz interessant – wenn man dieses Prinzip mal verinnerlicht hätte – zu schauen: Wer sind denn die Preistreiber am Strommarkt? Wer sind denn die, die teure Preise bilden?

[Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Da kann ich Ihnen nur empfehlen, sich mal die Studie des Fraunhofer-Instituts von 2021 – also relativ neu – anzuschauen. Die kommt zum Schluss: Windenergie 4 bis 8 Cent auf die Kilowattstunde, Kohle 10 bis 20 Cent auf die Kilowattstunde, Gas 12 bis 28 Cent auf die Kilowattstunde. Ihr Konzept – mehr Gas und mehr Kohle – macht den Strom nur teurer. Das sollten Sie sich mal in Ihr Stammbuch schreiben!

[Beifall bei der LINKEN – Ronald Gläser (AfD): Das ist doch eine Milchmädchenrechnung!]

– Das ist keine Milchmädchenrechnung. Sie sollten sich mal mit der Thematik ein bisschen auseinandersetzen, dann wüssten Sie auch, wo die Probleme liegen. Wir brauchen einen Ausstieg aus dem Merit-Order-Prinzip, wir brauchen vernünftige Grundkontingente für die Haushalte, damit nicht die Reichen bevorteilt werden – wie zum Beispiel auch durch den Strompreisdeckel, der jetzt gerade eingeführt wird –, und wir brauchen eine Fortführung des Preisdeckels und eine Abschöpfung von Übergewinn in Deutschland.

[Marc Vallendar (AfD): Angebot und Nachfrage haben Sie noch nicht verstanden!]

Das ist es, was wir brauchen, aber nicht Ihren Antrag und das, was Sie hier vorgelegt haben.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Werner Graf (GRÜNE)]

Kommen wir noch mal zum Thema Sicherheit. Da suggerieren Sie ja auch, man würde mit der Rückkehr in die Atomenergie eine sichere Stromversorgung herstellen können. Ich darf Ihren Blick nach Frankreich richten: Im letzten Jahr sind von den 56 Kraftwerken, die es dort gibt, 29 stillgelegt gewesen, weil sie zu wenig Wasser hatten, weil sie Sonderwartungsarbeiten machen mussten. Also dort von sicherer Versorgung zu sprechen – die waren kurz vor dem Brownout oder kurz vor dem Blackout, und die Exporte aus Deutschland nach Frankreich haben dort die Stromversorgung gesichert, und das war vor allen
Dingen Export von guter und grüner Energie, Kollegen!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Matthias Kollatz (SPD)]

Das heißt, für die Stromerzeugung und günstigen Strom brauchen wir mehr erneuerbare Energie und nicht weniger. Und ein Zweites – Sie sprechen ja auch von der Deindustrialisierung –: Ich darf Ihnen auch mit auf den Weg geben, dass wir gerade in einer Zeit sind, in der es um Dekarbonisierung in der Industrie geht. Es gibt Gründe, warum nach Magdeburg Intel mit einem großen Werk kommt, es gibt Gründe, warum in Dresden Infineon eine neue Wafer-Fabrik aufmacht, und es gibt auch Gründe, warum Tesla nach Grünheide gekommen ist, und das ist eben dekarbonisierter, erneuerbarer, gut zugänglicher Strom. In der Regelzone von 50Hertz, in der Berlin ist, haben wir ein sehr gutes und sehr groß ausgebautes Angebot an erneuerbaren Energien, und das sollte auch so bleiben. Es gibt Themen, die sollte man in der Tat noch
mal besprechen; da geht es um Energienetze und um Energiespeicherung, aber davon lese ich bei Ihnen nichts, deswegen gehe ich darauf nicht ein. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Wir werden den Antrag ablehnen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour: Vielen Dank! – Nun hat Herr Kollege Hansel die Gelegenheit für eine Zwischenbemerkung.

Video: www.rbb-online.de

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